Podiumsdiskussion

„VON MEMES ZU MEINUNGEN – POLITIKVERMITTLUNG AUF TIKTOK & CO“

Am 3. September 2024 diskutierte die Arbeitsgemeinschaft Jugend und Bildung e.V. mit Vertreterinnen und Vertretern aus Politikdidaktik, Medien, Wissenschaft und der Bildungswelt über das Informations- und Medienverhalten von Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Bezug auf Vermittlung politischer Themen. 

Was ist das Potenzial von Social Media Kanälen wie TikTok, Instagram oder YouTube und welche Erfahrungen haben Medienschaffende und Akteure der politischen Bildung mit digitalen Plattformen gemacht? Und wie geht man mit Plattformen um, die dazu beitragen, Hass, Hetze und Fake News in der Welt zu verbreiten?

Im Heimathafen, dem ehemaligen Schwurgerichtssaal des Alten Gerichts, diskutierten vier Expert*innen unter der Moderation von Nele Kister von der Eduversum GmbH über Erfolg, Chancen und Gefahren von sozialen Medien im Prozess politischer Meinungsbildung von Jugendlichen.

Die Podiumsgäste:

  • Dr. Pablo Jost – Kommunikationswissenschaftler am Institut für Publizistik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
  • Eva Berendsen – Politikwissenschaftlerin, Leitung Kommunikation der Bildungsstätte Anne Frank
  • Eva Wenzel – Social Media Redaktion Hessischer Rundfunk
  • Claudia Wolff – Leitung Staatliches Schulamt Wiesbaden

„Psychohygiene“ nannte Eva Berendsen es, wenn sie ihren TikTok-Konsum bewusst einschränkt. „Was sich an Hass und Hetze auf dieser Plattform tummelt, ist auf längere Zeit kaum auszuhalten“. Trotzdem oder gerade deshalb ist das Bespielen der Sozialen Medien ein zentraler Bestandteil ihrer Arbeit als Leiterin des Bereichs Kommunikation der Bildungsstätte Anne Frank. Sie wünscht sich, dass „Demokraten lernen, über ihre politischen Themen mit Leidenschaft zu sprechen“ – insbesondere in den Sozialen Netzwerken, denn bislang ist es so, dass weite Teile der Gesellschaft auf der wichtigsten Plattform der jungen Generation – TikTok – nicht stattfinden. „Alle gesellschaftlichen Institutionen sind in der Pflicht, Social Media Plattformen zu bespielen“. Es darf nicht sein, dass rechtsextreme Kreise wie die AfD als Early Adopter die Plattformen bespielen und mehr und mehr Einfluss auf die Meinungsbildung junger Menschen nehmen.

Eva Wenzel, Social Media Redakteurin beim Hessischen Rundfunk, beschäftigt sich seit Jahren damit, wie man der News Avoidance der jungen Generation entgegenwirken kann. Wenn Jugendliche Nachrichten als Beifang aus Algorithmen-Empfehlungen konsumieren, dann besteht für klassische Medien die Herausforderung, „gern gewollter Beifang“ zu sein mit Themen, die die junge Zielgruppe für relevant und interessant hält. Ganz wichtig sei es, die Menschen da zu erreichen, wo sie in ihrer Lebenswirklichkeit unterwegs sind. So versucht die Hessenschau zum Beispiel auf Instagram konstruktive Themen zu setzen und sinnvoll und lösungsorientiert an Themen heranzugehen. Es werden von daher nicht nur Bilder gepostet, sondern Hintergründe recherchiert und den Menschen auch gesagt, warum diese Informationen wichtig für sie sind.

Der Kommunikationswissenschaftler Dr. Pablo Jost beantwortet als Kommunikationswissenschaftler die Frage, wieso polarisierende Inhalte auf Social Media erfolgreicher sind. Boulevardeske Inhalte triggern immer auch den Voyeurismus im Menschen und gerade junge Leute sind empfänglich für neue und zugespitzte Inhalte. Polarisierende Inhalte werden länger angeschaut, es gibt mehr Interaktionen durch die User*innen und das erzeugt Reichweite. Es sei wichtig, die Diskursräume auf Social Media nicht den extremen und radikalen Gruppen zu überlassen, die die Meinungen lautstark beeinflussen. Gerade die Sozialen Netzwerke bieten nämlich für viele junge Menschen die Möglichkeit für Informationen und Vernetzung. Besonders dann, wenn sie als queere Person in politisch aufgeheizten Regionen wenig Möglichkeiten haben für einen offenen und wertschätzenden Austausch.

Die erfahrene Schulexpertin Claudia Wolff attestiert einer großen Gruppe von Jugendlichen ein reges Interesse an Politik und Weltgeschehen. Sie hat aber auch die wachsende Gruppe von Jugendlichen im Blick, die kein Interesse mehr an Nachrichten und politischen Inhalten haben, weil ihnen die Bildungsaffinität fehle. „Auf diese Gruppe müssen wir besonders schauen, denn es sind auch die Jugendlichen, die sich in der einen oder anderen Richtung radikalisieren, und zwar aufgrund von Social Media“. Gleichwohl sieht sie durch die Plattformen wie Instagram oder TikTok durchaus auch die Chance, junge Menschen mit guten Inhalten zu erreichen und ihr Interesse für Nachrichtenthemen zu wecken. Im Rahmen der Medienbildung spielen seriöse Social Media Kanäle im Unterricht durchaus eine Rolle, wenngleich eine TikTok-Nutzung im Curriculum nicht vorgeschrieben ist.

Zwar fand an diesem Abend keine Gerichtsverhandlung im ehemaligen Gerichtssaal statt, dennoch lässt sich ein Urteil formulieren: Wir dürfen die verfügbaren Plattformen nicht den Extremist*innen überlassen und sollten beim Medienkonsum stets wachsam sein, besonders bei Kindern und Jugendlichen. Außerdem war sich das Plenum einig: Es braucht eine staatliche Reglementierung dieser Plattformen.

 

Die gesamte Diskussion zum Anschauen auf YouTube

 

Dieses Video verweist Sie auf den Service eines Drittanbieters, um Videoinhalte abzuspielen. Dieser Service kann Daten zu Ihren Aktivitäten sammeln. Mit einem Klick auf „Play" werden Sie zu der Webseite des Drittanbieters weitergeleitet, um das Video anschauen können.

 

 

Tipp des Monats

ChatNett! Willkommen in der Cyberpunk-Welt der Katzen!

Karikatur des Monats

Weitere Karikaturen von Michael Hüter finden Sie hier.