Veranstaltungsreihe „Bildung4Future“ 

Rückblick auf eine hochaktuelle Debatte auf der Frankfurter Buchmesse

„Lust, Macht und Gewalt – Was Dark Romance und Romantasy über Geschlechterrollen lehren und warum Schule mitreden sollte“ – das war das Thema unserer Podiumsdiskussion am 16.10.2025. Die Frankfurter Buchmesse bot den Rahmen für eine ebenso fesselnde wie relevante Debatte, die sich einem der aktuell meistdiskutierten Phänomene der Buchbranche widmete: dem Hype der Liebesromane aus dem Genre Dark Romance und Romantasy.

Ausgehend von der Beobachtung, dass Plattformen wie TikTok das Leseverhalten junger Menschen revolutioniert und diese Art Liebesromane an die Spitze der Bestsellerlisten katapultiert haben, beleuchtete die Runde die tiefgreifenden gesellschaftlichen Fragen, die diese Literatur aufwirft.

Im Zentrum der Diskussion stand die Auseinandersetzung mit den moralischen Grauzonen, in denen sich die oft von Frauen für Frauen geschriebenen Romane bewegen. Einerseits präsentierten sie starke weibliche Protagonistinnen, andererseits finden sich diese in gefährlichen, von Machtgefällen und dominanten, teils gewaltvollen Männerfiguren geprägten Beziehungen wieder.

 

 

Die Faszination des Düsteren

Zeigt sich hier eine Art Angstlust, die es erlaubt, in einem sicheren Rahmen mit gefährlichen Szenarien zu spielen?

Kritik an weiblicher Literatur

Ein weiterer wichtiger Punkt war die Frage, warum Literatur, die explizit von Frauen für ein weibliches Publikum geschrieben wird, härterer und abwertender kritisiert wird als Werke männlicher Autoren.

Feministisch oder antifeministisch

Die Runde diskutierte kontrovers, ob das Genre und speziell Dark Romance als Ausdruck weiblicher Selbstbestimmung und emanzipatorischer Fantasie gelesen werden kann oder ob es antifeministische Normative stützt und patriarchalische Strukturen reproduziert.

Pädagogisches Potenzial

Abschließend wurde das große Potenzial dieser Erzählungen für den Bildungsbereich ausgelotet. Die Diskussionsteilnehmerinnen erörterten, wie Lehrkräfte den Lesehype aus der Lebenswelt der Jugendlichen aufgreifen können, um im Unterricht wichtige Impulse für Medienkritik, Genderbildung und die Reflexion über Machtverhältnisse, Geschlechterbilder und sexualisierte Gewalt zu setzen.

 

 

 

„Die Podiumsdiskussion machte deutlich, wie sehr Dark Romance und Romantasy gesellschaftliche Konflikte spiegeln und warum eine differenzierte Auseinandersetzung – aus literaturwissenschaftlicher, pädagogischer und gesellschaftlicher Perspektive – unerlässlich ist, um die Relevanz von Literatur im Leben junger Menschen zu verstehen und produktiv zu nutzen. Vielen Dank für die spannende Debatte!“

Nele Kister – Eduversum GmbH und Moderatorin der Veranstaltung

 

Das sagen unsere Podiumsgäste

 

Reproduziert das Genre patriarchalische Strukturen?

„Unsere Fantasien entstehen nicht in einem luftleeren Raum, sie werden durch Ideologie und durch gesellschaftliche Sachzwänge geprägt … was mich dann doch an den Romanen stört, ist diese Normalisierung von Erniedrigung und Misogynie … Die Schuld für Misogynie liegt nicht bei Frauen, die Dark Romance schreiben oder lesen, sondern sie liegt in der patriarchalischen Gesellschaft und bei misogynen Männern … die Frage ist jedoch: Warum gibt es diesen Wunsch von Frauen nach lustvoller Unterwerfung? Und warum ist das gerade jetzt so ein Lesehype? Brauchen wir nicht vielleicht auch Literatur, die Alternativen dieser Lust aufzeigt?“

Veronika Kracher – Autorin, Publizistin und Bildungsreferentin


Ist das Genre ein Ausdruck weiblicher Selbstbestimmung?

„Man kann das nicht verallgemeinern, denn die Bücher aus dem Genre Dark Romance haben ein breites Spektrum. Es geht von morally grey bis wirklich zum sehr harten Tabu-Romance. Und es kommt immer auch auf die Geschichten an. Es gibt natürlich sehr stereotypische Darstellungen mit reicher, weißer Mann und die graue Maus, die sich unterdrücken lässt. Grundsätzlich finde ich aber, dass die Bücher feministisch sind, weil sie für mich empowernd sind. Ich habe das Gefühl, dass man durch das Genre viel offener auch mit Freundinnen und mit anderen über weibliche Lust redet. Trotzdem gibt es natürlich Bücher und Autorinnen, die man nicht automatisch als feministisch bezeichnen würde, weil teilweise ein solcher Kitsch geschrieben wird, dass sich einem die Zehennägel hochrollen. Aber prinzipiell finde ich es für mich – und da kann ich auch für meine Community sprechen – auf jeden Fall empowernd, weil einfach so manches enttabuisiert wird.“

Juli Reiher – Redakteurin, Social Media Conceptor und Buchbloggerin


Sollte man den Lesehype für den Unterricht nutzen?

„Wenn wir mit diesen Texten im Unterricht arbeiten würden, haben wir natürlich eine hohe Lesemotivation und eine hohe Schüler*innenmotivation, die man als Ressource eigentlich nicht liegenlassen sollte. Auf der anderen Seite ist Zeit im Unterricht eine unglaublich begrenzte Ressource, gerade wenn wir an den Literaturunterricht denken, der ja die aktuelle Medienentwicklung mit abdecken würde. Also stellt sich die Frage, wie viel Zeit haben wir, um uns dann noch mit diesem Genre auseinanderzusetzen und wollen wir das? Ästhetisch und erzähltheoretisch sind die Bücher ja eher unterkomplexe Texte. Dennoch: Man könnte wirklich einmal mit Märchen anfangen, dann zum Nibelungenlied, gern auch zu Game of Thrones übergehen und einmal zeigen, wie konstant sind eigentlich solche Erzählmuster, um genau darüber eine gewisse Medienkompetenz und auch Literaturkompetenz auszubilden.“ Veranstaltungstipp für Interessierte: Let’s Talk About Sex (in Jugendliteratur) – Literaturdidaktisches Kolloquium der Universität Köln, Teilnahme über Zoom. Mehr Infos unter diesem Link

Dr. phil. Stefanie Jakobi – Lektorin und Vertretungsprofessorin für Kinder- und Jugendliteratur und ihre Didaktik an der Universität zu Köln


 
 
Eine Veranstaltung in der Reihe Bildung4Future der Arbeitsgemeinschaft Jugend und Bildung e.V. in Kooperation mit der Eduversum Verlags- und Bildungsagentur.

 

 
Die Arbeitsgemeinschaft Jugend und Bildung e.V. ist anerkannnter Bildungsträger.

 

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